Claudia Teibler befasst sich in diesem Buch mit einer Tätigkeit, die vielen Menschen in allen Zeiten Vergnügen gebracht hat: mit dem Tanz und seinen zahlreichen Ausdrucksformen.
Unmittelbar nach der Einführung hat die Autorin eine Passage aus Molières "Der Bürger als Edelmann" in ihr Buch eingebunden, in der es an einer Stelle heißt: "Ein Mensch, der nicht tanzt, taugt zu nichts." Nimmt man Molieres Satz ernst, lässt sich gewiss darüber streiten. Dies allerdings finde ich unergiebig.
Mir fiel in jungen Jahren stets auf, dass junge Männer, die nicht tanzen wollten, zumeist ein wenig verklemmt waren und Angst vor Tuchfühlung, aber auch vor freier Bewegung hatten. Ich kannte auch Frauen, die sich vor dem Tanzen fürchteten, nicht so sehr die falschen Schritte zu machen, sondern weil sie befürchteten durch den Tanz ihr Inneres nach außen zu bringen und es unverhohlen (nein, nicht exhibitionistisch:-)) zu zeigen.
Beim Tanz sieht man wie frei man im sexuellen Miteinander ist, ob man will oder nicht. Über diese Tatsache lässt sich m.E. nicht streiten.:-)) Der freie Tanz in unserer Gesellschaft begann mit der sogenannten sexuellen Revolution. Uschi Obermaier beherrschte in ihrer Generation diese Tanzform wie keine zweite und war nicht grundlos die Geliebte von berühmten Musikern wie Jimmy Hendrix und Mick Jagger und Keith Richards. Sie vermochte die musikalischen Lockrufe dieser Herren körperlich hemmungslos umzusetzen. Das war eines ihrer Geheimnisse.
Zum Buch: Zweihundert Jahre ist es erst her seit sich Paare aus der Formation von Gruppentänzen wie Quadrille oder Contredanse lösten und allein auf die Tanzfläche traten und zwar umgeben von anderen Paaren. Alle, - so die Sicht der Autorin und auch meine-, wollten die Welt um sie herum für ein paar kurze Momente vergessen. Teibler ist der Meinung, dass das Solotanzen keine Liebesgeschichte zu erzählen vermag, die klassischen Paartänze, nicht zuletzt der Tango, hingegen durchaus. Die Geschichte des Tanzens sei immer eine Geschichte der Sehnsucht und zwar nach Schwerelosigkeit, Selbstvergessenheit, Glück, (vgl.: S.9). Genauso ist es. Das ungehemmte Tanzen lässt uns den inneren Raum spüren, den eigenen, den des Tanzpartners und aller die auf der Tanzfläche wirklich selbstvergessen tanzen.
Die Autorin erklärt zunächst, weshalb wir das Tanzen als Rausch empfinden. Wichtig finde ich, dass sie erwähnt, dass der ständige Wechsel von körperlichen Spannungs- und Entspannungsmomenten, ohne den kein Tanz auskommt, nicht nur die vorher aufgespannte Spannung löst, sondern vielmehr auch Anspannungszustände aus dem Alltag, (vgl.: S. 15).
Man erfährt, wann der Mensch das Tanzen erlernt hat, welche Funktionen der Tanz einst hatte und wie sich die Entwicklung vom Reigen zum Paartanz gestaltete. Noch im Mittelalter war das Tanzen primär ein Gemeinschaftserlebnis, erst in Folgezeiten veränderte sich dies. Bis der Tanz sogar als Sportevent anerkannt wurde, mussten freilich einige Jahrhunderte vergehen.
Übrigens war die Provence die Wiege der Tanzkultur, hierzu kann man auf Seite 33 Wissenswertes in Erfahrung bringen. Die Tänze einzelner Epochen, wie das Mittelalter, die Renaissance, das Barockzeitalter etc., werden vorgestellt. Man kann sich nicht zuletzt in eine nette Anekdote um die königliche Elisabeth I. vertiefen, die im Alter von 69 Jahren im April 1602 eine Gaillarde in einer körperlichen Disposition tanzte, die offenbar die Zuschauer in ein solches Erstaunen versetzte, das man heute noch davon schreibt, (vgl.: S.35).
Man liest über den Walzer, der einst alle Regeln sprengte. Dieser Tanz erlaubte einen Körperkontakt, der zwischen Mann und Frau einst in allen anderen gesellschaftlichen Situationen undenkbar gewesen wäre. Der Walzer war der erste Tanz überhaupt, der ausschließlich in einer geschlossenen Paarhaltung getanzt wurde. Alle Welt jubelte Johann Strauß zu dessen Lebzeiten zu. Noch heute ist der Walzer der einzige Tanz mit einer über 200 jährigen Geschichte, der in den Ballsälen aller Welt auf Begeisterung stößt,(vgl. S. 44).
Man hat Gelegenheit in der Folge Aufschlussreiches über den ersten Modetanz- die Polka-, auch über Calkewalk , die "Roaring Twenties" und über die Veränderung des Kulturverständnisses aufgrund der Entwicklung des Grammophons zu lesen. An Josephine Baker wird erinnert, die den Berlinern den Charleston schenkte und auch an den Twist und seine Folgen.
Über das Erlernen von Tänzen liest man Wissenswertes, auch über Goethes Tanzstunden in Straßburg. "Tanz und Tabu" ist ein Thema. So galten der Cancan und andere Modetänze der Zwanziger Jahre als Tabubruch und gezielte Provokation der bürgerlichen Moral,(siehe: "Die anstößigen Tänze der Zwanziger Jahre").
Ein großes Lob für den Beitrag "Tanzporträt. Tango " im Kapitel "Tanz und Konvention" und dessen spezielles Augenmerk auf das "Bandoneon", das beim Urtango noch keine Rolle spielte. Eine Passage aus dem brillant geschriebenen Roman "Der Tangotänzer" von Eloy Martinez kann man auf den Seiten 82-83 nachlesen, bevor man sich ausgiebig mit dem Kapitel "Tanz und Kommunikation" beschäftigen kann. Ja, es stimmt, ein Tanz sagt mehr als tausend Worte. Weshalb dies so ist, erklärt die Autorin bestens.
Man liest von den einstigen Tanzvergnügungen an der Dorflinde hin zu den Ballsälen bis zur Disco. Ausgiebig informiert Teibler vom Ball, der immer mehr war und ist als ein Fest mit Musik und Tanz, auch der Wiener Opernball kommt zur Sprache und die Zeichensprache, die man kennen musste, um einen Handschuh- oder auch Fächer-Flirt auszuüben.
Über Tanz und Erotik schreibt Teibler einen aufschlussreichen Beitrag, der sich im Resümee mit dem deckt, was auch ich meine: die Entwicklung der Erotik beim Tanz geht mit dem Wandel der allgemeinen Sexualmoral einher, (vgl: S.108).
Sehr gut ist übrigens das Tanzporträt "Rumba", ein Tanz, den ich seit meinem Tanzunterricht, der mir im zarten Alter von 15 widerfuhr, nicht mehr getanzt habe, im Gegensatz zu den anderen lateinamerikanischen Tänze wie Samba, Paso doble und Tango, über die im Buch ebenfalls berichtet wird.
Zum Schluss kann man noch Vieles über ein Ballkleid lesen. Hier auch ist eine kleine Abbildung eines Werkes von Franz Xaver Winterhalter zu sehen, das die Kaiserin Eugenie und ihre Hofdamen zeigt. Ein Bild, das wie kaum ein anderes den Traum eines Ballkleides visualisiert. Der Ballsaal wird auch zum Thema gemacht und auch die Traumtänzer Rudolph Valentino, Fred Astaire und John Travolta geraten als Krönung von allem in den Fokus.
Die informativen Texte werden von unzähligen schönen Bildern begleitet, die ich mir bei unterschiedlicher Musik (je nach Stimmungslage) immer wieder gerne betrachte.
Empfehlenswert.
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