Der 1955 geborene Autor und Moderator #Roger_Willemsen galt als einer der führenden Intellektuellen in unserem Land. Er verstarb 2016 in Wentorf bei Hamburg.
Im vorliegenden Buch, das im S. Fischer Verlag im Herbst 2018 erschienen ist, sind Roger Willemsens Texte über Musik enthalten. Der leidenschaftliche Musikhörer und –kenner hatte zwei Jahre im #ZDF eine eigene Musiksendung und machte im #NDR eine 15. minütige Radiosendung, die es auf 279 Folgen brachte. Zu diesen Sendungen gehörten 26 große Publikumsabende. Der Musikkenner gestaltete eine Weltmusik-Reihe mit Berliner Philharmonikern, ein Barockprogramm mit dem Geiger Daniel Hope und ein Klassik-Programm mit der NDR- Radiophilharmonie. Des Weiteren schrieb er für die Zeit eine eigene Musikkolumne und realisierte für #arte und das ZDF einen Film über den Jazzpianisten Michel Petrucciani und diverse weitere Musikerportraits.
Um zu verstehen, wie sehr Roger Willemsen von Musik in den Bann gezogen wurde, sollte man das Eingangszitat der Textsammlung nicht überblättern: "Musik höre ich wehrlos, deshalb stört sie mich im öffentlichen Raum auch oft. Sie absorbiert mich. Ich kann neben ihr kaum einen Gedanken fassen. Für kaum etwas bin ich so dankbar wie für die Entdeckung neuer, unbekannter, sprechender Musik.“ (Roger Willemsen, 2015)
Im Text "An die Musik" berichtet er von den Wegen, die ihn zum Jazz führten, der für ihn ein Lebensgefühl verkörpert, das sich in einem Klima der Wahrhaftigkeit, der Geradlinigkeit und der Evidenz entwickelt. Die Vitalität des Jazz bestimme alles, was er sage und wolle.
Roger Willemsen war vom Lyrischen im Jazz besonders angezogen. Nach seiner Meinung vermag diese Musik, was Robert Musil der Literatur zuschrieb, den "inneren Menschen erfinden."
Es ist unmöglich an dieser Stelle all seine Reflektionen zu bestimmten Stücken unterschiedlicher Jazz-Musiker verkürzt wiederzugeben, oder gar dazu Stellung zu nehmen. Sehr bemerkenswert ist der Text "Peace Piece Meditationen". Der Jazz-Musiker Bill Evans war für Roger Willemsen der Lyriker schlechthin, der mit dem Stück "PeacePiece" den Frieden spielt. Der Musikkenner Willemsen huldigt dem Stück, indem er einen überaus poetischen Text dazu schreibt, aber auch Sachwissen und Musikgeschichtliches einfließen lässt.
Hochbeglückt bin ich, die Musik, die Roger Willemsen in seinem Buch vorstellt und beschreibt, auf Youtube jeweils hören und mich so auch akustisch in seine Musikwelt vertiefen zu können. Es sind Jazz-Stücke, die sich mit den Jahreszeiten befassen, auch mit dem Unglück der Liebe, süßen und schweren Träumen, so etwa im Stück "Something I Dreamed Last Night" von Miles Daves.
Unmöglich, auf all das textlich im Rahmen einer Rezension näher einzugehen.
Für jede Stimmung und Gelegenheit stellt er etwas Passendes im Rahmen seines Jazz-Kosmos vor, so auch für Tagträume und hier u.a. das wunderbare Stück "Dream Gypsy" von Bill Evans und Jim Hall.
Sehnsucht und die Gedanken an jemand, der uns wichtig war, sind weitere Themen. Hier beeindruckt der Pianist Bary Harris mit "These Foolish Things". Roger Willemsen schreibt: "Erinnerungen so zu komponieren, das geht nur in einer freieren Form, aber gerade weil die Musik so suchend wirkt, geht sie hier eine ideale Verbindung zur Erinnerung ein und über allem liegt die Melancholie des Unvergessenen aber Verlorenen.“
Nach einer Fülle von Texten kann man dann im Kapitel III sich zu Klassik und Jazz näher informieren und wiederum Reflektionen zu wunderbaren Musikstücken lesen. Hier werden Musiker wie Dave Brubeck vorgestellt, der zu seinem "Koto Song" sagte, dieser sei ein Blues, der im Zusammenhang mit sehr feinsinniger Musik stehe, die er eines Abends von zwei Koto-Spielerinnen in Kyoto gehört habe.
Musikerportraits. sehr, sehr vieler Jazz-Musiker in Verbindung mit berühmten Stücken zeichnet Roger Willemsen gleichbleibend euphorisch, mit einfühlsamer Feder für musikbegeisterte Leser und erweckt bei diesen den Eindruck, dass er in seinen Zeilen zu neuem Leben erwacht.
Man erfährt mehr über die Jazzsängerin Connie Evingson und dem von ihr gesungenen Titel "Anthropology" sowie von Bud Powells Bachinterpretation in "Sure Thing".
Textstellen aus dem Werk "Momentum" und "Der Knacks" von Roger Willemsen kann man zu Beginn der einzelnen Kapitel lesen und sich seiner Intellektualität erfreuen.
Im Kapitel V äußert #Roger_Willemsen sich dann zu Pink Floyd. Wie er schreibt, seien die Klanggebilde dieser Band auf nicht dagewesene Weise dreidimensional, die Musik sei architektonisch, selbst dort, wo sie die Hörerschaft in offene Räume, in Universen entlasse. Die Musik komme von weit her und strebe über Horizonte.
Das hat sie vielleicht mit Roger Willemsens weltläufigen Gedanken zur Musik gemeinsam, die ihn als einen sehr sensiblen, leidenschaftlichen Menschen outen, den man nicht vergisst, selbst nach Jahren seines Ablebens nicht.
Maximal empfehlenswert
Helga König
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Musik!: Über ein Lebensgefühl
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