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Rezension: Pop und Populismus- über Verantwortung in der Musik- Jens Balzer- Edition Körber

Jens Balzer, der Verfasser dieses Buches, arbeitet als Autor und Kolumnist u.a. für DIE ZEIT, den Deutschlandfunk, Rolling Stone und den rbb-Sender Radio Eins. Mit Tobi Müller gemeinsam moderiert er den monatlichen Popsalon am Deutschen Theater. Des Weiteren hat er als Kurator an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und bei den Münchener Kammerspielen gearbeitet und ist künstlerischer Berater des Donaufestivals. 

Das vorliegende, zehn Kapitel umfassende Werk reflektiert die Verantwortung in der Musik. Diese scheint offenbar leider nicht immer gegeben zu sein. Das wird bereits klar, nachdem man den ersten Satz des Buches gelesen hat: "Mit stumpfem Sprechgesang schwingen die einen ihre überzüchteten Trizeps über die Bühne, predigen Hass auf Frauen, Schwule und Juden, während die anderen, völkische Deutschrocker, mit grobem Gitarrengeschrubbe patriotische Gefühle beschwören."

Der Autor zitiert eingangs den Kulturkritiker #Georg_Seelßen, der verlauten lässt, dass fast in jedem musikalischen Genre, jeder Mode, jedem Medium sich ein dezidiert rechtes bis faschistoides Segment herausgebildet habe und geht in seinem Werk der Frage nach, ob diese Diagnose zutreffend ist. Er will wissen, ob der Pop heute zu einem Medium des rechten Populismus geworden sei und falls ja, in welchem Sinne. Auch geht es ihm darum, zu recherchieren, mit welchen musikalischen und sprachlichen Mitteln die Botschaften des Populismus verbreitet werden und worin der Wesenskern dieser Botschaften besteht. 

Im ersten Kapitel befasst sich der Szenenkenner mit den Ereignissen rund um den #Echo_2018 und fragt, weshalb zuvor kaum jemand bemerkt hatte, welchen Grad der Verrohung die Sprache im deutschen Straßen- und #Gangsta_Rap erreicht habe.

Im 2. Kapitel dann berichtet Balzer von der Entwicklung des #Maskulinismus, der #Homophobie und #Misogynie seit dem Debüt des prägenden deutschen Gangsta-Rappers #Bushido im Jahr 2003. Balzer zitiert aus den abgründigen Songtexten, in denen Frauen vor allem als Nutten und Huren angesprochen werden und Männer ihren Lustgewinn aus der Erzeugung von Schmerzen, die sie Frauen zufügen, gewinnen. 

Popmusik sei auf diese Weise zum Medium von sexistischem und homophobem Hass geworden. Dennoch seien die Konzerthallen von Boshido, Sido und Konsorten voll. Der Autor interpretiert dies damit, dass Jugendliche die Rapper dafür lieben, dass ihnen jene Werte nichts bedeuten, die Jugendschützer, Eltern und Lehrer hochhalten. 

Bemerkenswerterweise werde Bushido vom rechten Flügel der deutschen Konservativen geschätzt, was im Grunde nicht verwundert. Bushido sei einer der ersten gewesen, der die Grenze des Unsagbaren verschoben habe, speziell, was das Vokabular der Erniedrigung und des Hasses anbelangt. Damit war die Büchse der Pandora geöffnet. Zwischenzeitlich sind Sexismus, Misogynie und Homophobie zur Konstanten in der Rhetorik des HipHop geworden, der in die deutschen Hitparaden regiert. 

Im Folgekapitel geht es dann um die fortschreitende Durchsetzung besagter Musik mit antisemitischen Stereotypen, der ebenso schockiert, wie die sexuelle Gewalt und der Missbrauch von Macht in der Branche Musikerinnen gegenüber. In der Popmusik-Branche seien die Geschlechtsverhältnisse ähnlich ungleich strukturiert wie in der Filmbranche und sexuelle Übergriffe offenbar geradezu Programm. Frauenverachtung und -unterdrückung sind so  in den gesellschaftlichen Alltag zurückgekehrt. 

Man liest aber auch von emanzipatorischen Statements im Bereich des Schlagers, die ein breites Massenpublikum erreichen, sogar bei Helene Fischer. Immerhin gib es das auch noch.

Im 6. Kapitel dann geht es um die die völkisch geprägte,  horrible Heimatbeschwörung im neuen Pop. Liest man sich in die Songtexte ein, schreit einem populistische Ideologie entgegen.

Kein Musiker der Popmusik, die von rechten und rechtspopulistischen Menschenbildern geprägt sei,  bekenne sich allerdings ausdrücklich zu der entsprechenden politischen Bewegung. Der einzige deutsche Popmusiker mit höherem Bekanntheitsgrad, der mehrfach Sympathien für die hiesigen Rechtspopulisten bekundet habe, sei Bushido gewesen. 

Offenbar möchten die Musiker für eine politische Haltung nicht die Verantwortung übernehmen.

Die Popkritik muss hellwach sein,  darf nichts relativieren, denn der  Pop der Gegenwart harmoniert in weiten Teilen mit dem Weltbild des neue Populismus.

Wie verändert sich das Bewusstsein von Menschen, die mit Verachtungs- und Hasstexten zugemüllt werden? Was bedeutet es langfristig, wenn solchen Sängern zugejubelt wird? Auf was steuert die Gesellschaft zu?

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Pop und Populismus: Über Verantwortung in der Musik

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